Heute würde ich gerne ein Thema aufgreifen, das in vielen Kursen heiß diskutiert wird. Sind aggressive Menschen selbstsicher?
Wenn man sich einen Menschen vorstellt, der selbstsicher wirkt, begeht man leicht den Irrtum Aggression und Selbstsicherheit zu verwechseln. Mit Nichten sind Menschen, die sich laut in den Vordergrund drängen und die Interessen anderer nicht berücksichtigen selbst-bewusst. Oft verbirgt sich hinter der harten Schale und dem polternden Auftreten eine tiefe Verunsicherung. Man rüstet verbal und nonverbal auf, um möglichst stark zu wirken. Diese Form der sozialen Mimikry ist oft so erfolgreich, dass viele, die sie nutzen, ihre eigene Unsicherheit gekonnt verdrängen.
Manchmal allerdings – in stillen Stunden – wenn der Aggressive niemanden findet, der sich zu ihm gesellt und seinen Nöten lauscht, befallen ihn Selbstzweifel…und eine Sehnsucht nach Mehr. Die Sehnsucht, selbst
UND sicher zu sein.
Echte Selbstsicherheit und soziale Kompetenz zeichnet sich durch dreierlei aus. Zunächst kennt man sein eigenes Recht und weiß dieses auch konsequent zu fordern. Dabei ist es auch nicht nötig ausfällig zu werden oder andere zu diffamieren. Es reicht, auf seinem Recht zu bestehen und nicht locker zu lassen. Als zweites kann der Selbstsichere seine Gefühle wahrnehmen und adäquat ausdrücken. Er darf gefühlvoll sein. Er kann echte Freude und Stolz über die eigene Leistung zeigen. Sozial kompetente Menschen achten die eigenen und die Gefühle anderer. Drittens hat ein Mensch, der wirklich selbstsicher ist, keine Angst vor Niederlagen. Ablehnung erschüttert seine Persönlichkeit nicht, denn er schätzt und akzeptiert sich – unabhängig vom Urteil der anderen.
Die Gleichung in der Titelzeile stimmt so also nicht.
Andererseits sollte aber auch erwähnt werden, dass Aggression und Selbstsicherheit nicht unvereinbar miteinander sind. Oft stellt sich der Zusammenhang wie beschrieben dar. Es kann aber auch Situationen geben, in denen Aggression – quasi als Ultima Ration der Selbstsicherheit – ihre Legitimation hat. Wenn man selbst wiederholt angegriffen wird und der Angreifer auf alle Versuche der Befriedung nicht reagiert, darf man sich natürlich schützen und dem anderen Grenzen aufzeigen.
Fazit: Aggression ist häufig ein Zeichen von Unsicherheit und mangelnder Flexibilität im sozialen Kontakt. Zu einer gesunden Selbstsicherheit gehört aber auch die Möglichkeit, aggressiv zu reagieren.
Dabei kann als Leitlinie dienen: Gefühle wahrnehmen, Gefühle zulassen, bewusst entscheiden, wie man handeln will, frei und sicher handeln.