In der 6. Schulklasse eines Gymnasiums lernen die Schüler wie eine Kläranlage funktioniert. Sie sind sogar dazu aufgefordert, eine solche zu bauen. Tatsächlich geht das ganz einfach. Auch die Funktionsweise einer solchen Anlage läßt sich leicht nachvollziehen. Sie funktioniert in mehreren Stufen, die mit unterschiedlichen Filtern arbeiten.
Im ersten Schritt wird durch Filter eins der grobe Schmutz abgesondert. Schritt zwei hält den mittelschweren Dreck fest. Am Schluß, hier Schritt drei, wird der feine Schmutz entsorgt. Es wäre schön, könnte man dieses Prinzip auf den menschlichen Geist übertragen.
Grober Schmutz sind die dicken Brocken der Identität, die sich über Jahre angesammelt haben. Vermutlich wurden sie schon sehr früh in den Geist eingepflanzt. Oder sie sind durch heftige Lebensstürme in das Bewußtsein geblasen worden. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, sagt der Volksmund. Um Grundannahmen über sich und die Welt, die einem schaden, zu hinterfragen, muß man psychologisch Gewalt anwenden. Oder mit verblüffenden Erfahrungen arbeiten. Milton Erickson bewarf seine Klienten mit Felsbrocken…aus Styropor, um anschließend in die entsetzten Gesichter zu witzeln: Nicht alles ist so schwer, wie es aussieht.
Wer keinen Felsblock und auch kein Hypno-Genie zur Hand hat, sollte eine extreme Erfahrung suchen. Ein Survival-Training, ein Fallschirmsprung oder auch den sicheren Job einfach so zu quittieren, könnten in diese Klärungskategorie fallen.
Der Mittelgroße Schmutz ist der Alltag und die Routinen. Landauf landab empfiehlt man zur Bewältigung des Home-Office mit Tagesstrukturen zu arbeiten. Eine Struktur leitet einen. Sie hat den Nachteil, daß man irgendwann den Verstand ausschaltet. Der Autopilot wird einen schon ans Ziel bringen. Um auf andere Gedanken zu kommen, kann man seinen Alltag ändern. Anstatt in der Mittagspause in die Kantine zu waten, könnte man eine Runde um den Block joggen. Anstatt am Wochenende in die Kirche zu gehen, könnte man anfangen abstrakte Kunst zu produzieren. Wenn man die Struktur verändert, behält man die Elemente oft bei. In die Kantine geht man also als erstes um 11.15 Uhr und für die Kirche ist Zeit am Freitagabend. Wer seine Routine verändert, beginnt seine Welt mit neuen Augen zu sehen. Er erkennt wie festgefahren er ist, aber auch, wie er sich ändern kann. Das Loslassen hinderlicher Gedanken der Beschränkung liegt dann schon nahe.
Bleibt noch der Feinstaub des Lebens, den Teil, der uns krank macht, den wir aber kaum wahrnehmen. Das ist der innere Monolog. Er ist immer da. Auch in dem Augenblick, in dem man Artikel wie diesen liest. Hört sich gut an, naja, ist eben Psychologie, schöngeschrieben, aber umsetzbar? Blinde Flecken zu erkennen, ist eine der größten Herausforderungen des Lebens. Erst wenn man das Fenster aufmacht, merkt man so richtig, wie schlecht die Luft doch war. Am einfachsten geht es mit der Hilfe von anderen. Was findest du an mir gut? Was sollte ich deiner Meinung nach ändern? Zuhören ist eine Kunst, was heißt, man lernt sie durch sehr viel Übung. Ein guter Coach gibt echtes Feedback, auch wenn er dadurch seinen Job verliert. Die meisten Klienten stehen auf Berater, die ihnen sagen, was sie längst wissen. Man kann dieses Dilemma auflösen, indem man nicht seine Freunde, sondern seine „Feinde“ fragt, was man nicht sieht.
Am Schluß kommt aus der improvisierten Kläranlage relativ frisches Wasser, der Quell des Lebens*. Wer sich gesund fühlt, wer denkt, daß er erfolgreich ist, wer mit sich im Reinen ist, braucht nicht unbedingt die Kläranlage des Denkens. Schaden kann sie nicht und dazu lernen kann man immer.
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